eNERGIE 22022 nachgefragtIm aktuellen Stadtwerke-Kundenmagazin eNERGIE 02/2022 geben Geschäftführer Christoph Schneider und der käufmännische Leiter der Stadtwerke,Thomas Schähl, Auskunft zu Versorgungssicherheit, steigenden Preisen und die Auswirkungen auf Fernwärmekundinnen und -kunden.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu großen Verunsicherungen auf dem internationalen Energiemarkt geführt und für dramatische Preiserhöhungen gesorgt. Insbesondere bei Gas, Öl und Kohle. Damit erhöhten sich zugleich die Kosten für die Erzeugung von Energie. Und zwar drastisch. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schwört uns Anfang Mai 2022 darauf ein, dass „wir weiter mit höheren Preisen rechnen müssen“. Davon ist auch die Fernwärmeerzeugung betroffen.

Wie sicher ist die Fernwärmeversorgung in Hennigsdorf?
Schneider: Zurzeit gibt es keine Anzeichen für irgendeine Beeinträchtigung der Hennigsdorfer Fernwärmeversorgung. Mit einer gesicherten Rohstoffversorgung können wir Fernwärme erzeugen.

Der nächste Winter folgt: Wie bereiten sich die Stadtwerke auf die neue Heizperiode vor?
Schneider: Wir arbeiten weiter an unserer Wärmestrategie und damit an der Umsetzung unserer „Wärmedrehscheibe“. Die gegenwärtige Lage auf dem Energiemarkt hat uns einmal mehr darin bestärkt, dass wir mit dem Ziel, bis zu 80 Prozent unserer Fernwärme klimaneutral aus regionalen Ressourcen zu produzieren, genau richtig liegen. Die dazu erforderlichen Umbauten und Investitionen haben wir ja schon vor Jahren auf den Weg gebracht. Jetzt arbeiten wir mit Hochdruck daran, diese Entwicklung voranzutreiben.

Die Stadtwerke setzen bei der Fernwärmeversorgung auf verschiedene Rohstoffe – mit welchen Vorteilen?
Schähl: Unsere Rohstoffdiversifizierung gibt uns mehr Steuerungsmöglichkeiten. Viele Stadtwerke setzen bei ihrer Wärmeerzeugung noch überwiegend auf fossilbefeuerte Heizkraftwerke. In Hennigsdorf verwenden wir Holzhackschnitzel, Abwärme, Gas, Biogas und – seit Kriegsbeginn – zum Teil auch wieder Öl. Wir können variieren und versuchen, Einsparungen beim Einkauf zu generieren. Dabei reden wir über kleine Effekte. Dennoch versuchen wir alle Möglichkeiten voll auszureizen, um die Rohstoffe für die Fernwärmeproduktion so günstig wie möglich zu bekommen.

Beim Einkauf von Holzhackschnitzeln gibt es einen Strategiewandel?
Schähl: Richtig. In Sachen Lagerwirtschaft. Bisher haben wir versucht, Logistik- und Lageraufwand so gering wie möglich zu halten. Die Holzhackschnitzel, die angeliefert wurden, wurden auch verfeuert. Heute kaufen wir so viel am Markt ein, wie wir bekommen können und unsere Lagerkapazitäten es zulassen, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und Engpässe zu vermeiden. Für all das müssen wir deutlich mehr Geld als bisher in die Hand nehmen.

Künftig 80 Prozent Erneuerbare. Warum nicht gleich 100 Prozent und das Thema fossile Brennstoffe wäre vom Tisch?
Schneider: Zunächst müssen wir ja erst mal die 80 Prozent stemmen. Dieses überaus ehrgeizige Ziel verfolgen wir konsequent. Die verbleibenden 20 Prozent sind allerdings eine ganz neue Herausforderung, die weitere hohe Investitionen erfordert. Und die müssen auch bezahlt werden. Wir als kleines Stadtwerk haben diese Mittel nicht und stellen uns hier auf die Seite unserer Kundinnen und Kunden, denen wir die damit verbundenen Preiserhöhungen nicht zumuten wollen. Eine vollständig fossilfreie Wärmeerzeugung kann nur durch mehr staatliche Unterstützung, also über entsprechende Förderinstrumente erreicht werden. Und mal angenommen, wir erreichen die 100 Prozent – die Fernwärmepreise würden durch den Wegfall der Brennstoffkosten nicht automatisch sinken, wie das vielleicht vermutet werden könnte. Dazu sind die dafür notwendigen Investitionen einfach zu hoch.

Stichwort aktuelle Preise: Da geht’s derzeit in vielen Bereichen steil bergauf. Wie sieht es bei den Fernwärmepreisen aus?
Schneider: Auch hier beobachten wir einen klaren Aufwärtstrend. Und das nicht erst seit Ausbruch des Ukrainekrieges, sondern bereits in den letzten Monaten des vergangenen Jahres, wo die eingeschränkten Gaslieferungen Russlands bereits für deutliche Börsenturbulenzen und Preissprünge sorgten.

Es geht also nach oben. Und nach Beilegung des Ukrainekonfliktes?
Schähl: Sollten wir nicht dem Irrglauben verfallen, dass das gleichbedeutend mit signifikanten Preissenkungen im Energiebereich ist. Das Preisniveau von gestern wird es vermutlich morgen nicht wieder geben. Zumal Europa gerade dabei ist, seine Energieversorgung komplett umzubauen, um sich von russischem Gas, Öl und weiteren Rohstoffen unabhängig zu machen. Dieser Prozess ist jetzt angeschoben worden. Schnell und heftig. Und er kostet sehr viel Geld und schafft darüber hinaus neue Abhängigkeiten.

Schneider: Ich möchte betonen, nicht der Krieg an sich verursacht die steigenden Energie- und damit auch Fernwärmekosten. Sondern das damit einhergehende Marktgeschehen an den Brennstoffmärkten sowie die Maßnahmen, die Europa und die die Bundesrepublik zur Unterstützung der Ukraine getroffen haben. Das betrifft die Sanktionen – Stichwort Ölembargo – genauso wie den eingeleiteten Umbau der Energieversorgung. Fakt ist: Gas, Öl und Co. müssen woanders herkommen. Gas zum Beispiel in Form von LNG (Flüssiggas). Zwei entsprechende Terminals sollen laut dem Bundeswirtschaftsminister bis zum Jahresende fertiggestellt sein, weitere folgen. Allein Flüssiggas ist in seiner Herstellung allerdings rund dreimal so teuer wie russisches Gas. Dazu kommt die notwendige Infrastruktur, die errichtet werden muss. All das kostet! Viele Millionen, wenn nicht Milliarden Euros.

Was erwartet die Hennigsdorfer Fernwärmekunden?
Schneider: Dass wir zum 1. Januar 2023 die Fernwärmepreise anpassen, steht fest.
Fest steht aus den beschriebenen Gründen aber auch, dass es klar aufwärts gehen wird. Zu den genauen Zahlen lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt allerdings noch keine Aussage treffen.

Warum nicht?
Schähl: Weil sich der Fernwärmepreis aus Indexwerten, basierend auf den zurückliegenden zwölf Monaten, berechnet. Und die sind schlicht noch nicht um. Die Berechnung erfolgt dann durch die sogenannte Preisgleitformel, die unsere Kostenstruktur abbildet. So ist sichergestellt, dass keine willkürliche Bestimmung der Fernwärmepreise zustande kommt. Unsere Fernwärmepreise werden entsprechend dieser Formel jedes Jahr nach den vom Bundesamt für Statistik bereitgestellten Indizes neu berechnet. Das bedeutet, dass wir erst ab Mitte Oktober dieses Jahres wissen, wie hoch der Fernwärmepreis für 2023 liegt. Im Moment, wo jeder Tag neue Entwicklungen bringt, sind selbst Prognosen für die verbleibenden sechs Monate (bei Redaktionsschluss) immer nur vage Annahmen.

Schneider: Dieser Mechanismus gestattet es den Kunden und Kundinnen, Zeit zu gewinnen, sich auf den zu erwartenden Preisanstieg vorzubereiten und Vorsorge zu treffen. Denn wir finanzieren ja erst mal vor. Dazu kommt für sie der Vorteil, dass wir den Preis über zwölf Monate festschreiben. So werden Preisausschläge geglättet.

Eine Preisprognose wäre dennoch hilfreich!
Schähl: Aus heutiger Sicht liegen wir bei einem Preisanstieg für Fernwärme von mindestens 50 Prozent. Aber wie gesagt, es fehlen noch Indexwerte für die kommenden sechs Monate! Das bedeutet, die Aussage, die wir heute unter den derzeit bekannten Annahmen treffen, ist keine finale Preisprognose. Ein Stück weit müssen wir bei einer so frühen Vorhersage mit dieser Ungewissheit einfach leben. Das muss jedem bewusst sein.

Verhältnis Grund- und ArbeitspreisWelche Möglichkeiten haben die Stadtwerke, den Preisanstieg abzumildern?
Schneider: Gar keine. Denn die stark gestiegenen Brennstoffkosten treffen uns bereits jetzt schon. Die Preiskalkulation deckt unsere Beschaffungsstrategie ab. Tatsächlich schaffen wir damit eine deutliche Abmilderung des Preissprungs, weil der Grundpreis, der deutlich weniger steigt als der Arbeitspreis, bei uns einen vergleichsweisen hohen Anteil hat. Unser hoher Grundpreis dämpft damit den Preisanstieg aus dem Brennstoffeinkauf, so dass unser Preissprung deutlich geringer ausfallen wird als bei anderen Fernwärmeversorgern und Stadtwerken. Viele von denen stehen heute erst am Anfang der Umstellung auf erneuerbare Energien und müssen jetztinvestieren. Das haben wir teilweise schon hinter uns.

Wann spüren Hennigsdorfer Fernwärmekunden die Preissteigerung?
Schneider: Der neue Fernwärmepreis gilt ab dem 1. Januar 2023. Für alle. Wir wissen auch, dass die Wohnungsunternehmen mit der Betriebskostenabrechnung die Abschläge für ihre Mieterinnen und Mieter entsprechend anpassen werden, damit es kein böses Erwachen durch hohe Nachzahlungen gibt.

Was empfehlen Sie den Fernwärmenutzer: innen in Hennigsdorf?
Schähl: Vorsorge zu treffen! Energie einzusparen und wenn möglich, Geld beiseite zu legen. Hilfreich ist ein Blick auf die Heizkostenabrechnung, mit dem sich besser abschätzen lässt, wieviel man zusätzlich fürs nächste Jahr beiseitelegen sollte. Für eine Durchschnittswohnung mit 60 qm Wohnfläche wären das – Stand heute – monatlich etwa 50 Euro. Eigentümer: innen, die ihren Fernwärmevertrag direkt mit den Stadtwerken Hennigsdorf haben, können sich an uns wenden. Wir schauen uns dann gemeinsam die Abschläge an und nehmen eine sinnvolle Anpassung vor.

Hier finden Sie die aktuelle Ausgabe eNERGIE 02/2022
Aktuelle Informationen zum Entlastungskatalog der Bundesregierung: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/tipps-fuer-verbraucher/entlastungspaket-2026602